Motorrad-Zündung: Systeme, Ablauf, Diagnose
Die Zündanlage erzeugt zum exakt richtigen Zeitpunkt den Zündfunken für die Entflammung des Kraftstoff-Luft-Gemischs. Dieser Fachartikel erklärt klassische und moderne Zündsysteme (Unterbrecher, Magnetzünder, TCI, CDI, ECU-Kennfeld), beschreibt den Zündablauf und liefert praxistaugliche Diagnose-Strategien.
1) Grundlagen & Hauptkomponenten
Ziel der Zündanlage ist ein zuverlässiger Funke an der Zündkerze bei passender Frühzündung (Grad Kurbelwinkel vor OT). Kernteile: Zündspule (Spannungswandler), Schaltelement (Kontakt oder Transistor/Thyristor), Sensorik (Kurbel-/Nockenwellensensor), Zündkerze und die Versorgung (Batterie oder Lichtmaschine/Magnetzündung).
2) Klassische Systeme
2.1 Unterbrecher-Zündung (Batterie-Spule)
Mechanischer Unterbrecherkontakt schaltet den Primärstrom der Zündspule. Beim abrupten Öffnen kollabiert das Magnetfeld → Hochspannungsimpuls an der Sekundärwicklung → Funke an der Kerze. Ein Kondensator parallel zum Kontakt reduziert Abreißfunken und optimiert die Energieübertragung. Frühverstellung über Fliehkraft (und teils Unterdruck).
- Vorteile: Einfach, ohne Elektronik, reparabel.
- Nachteile: Verschleiß/Justage am Kontakt, begrenzte Drehzahlfestigkeit, Feuchte/Schmutz-empfindlich.
- Praxis: Oldtimer, frühe Serienbikes; heute v. a. im Bestand.
2.2 Magnetzünder (kontaktgesteuert oder kontaktlos)
Eigenständiger Zündstromerzeuger am Motor (Permanentmagnet + Spulen), oft ohne Batterie. Prinzip wie oben, jedoch liefert die Lichtmaschinen-Ladespule die Zündenergie direkt.
3) Elektronische Systeme
3.1 TCI – Transistor Controlled Ignition (induktiv)
Der Unterbrecher wird durch einen Leistungstransistor ersetzt (Steuerung via Pickup/Hall). Die Spule wird primärseitig mit Bordspannung geladen; zum Zündzeitpunkt sperrt der Transistor → Feld bricht zusammen → Funke. Längere Funkenbrenndauer als CDI, gute Magergemisch-Entflammbarkeit; benötigt intakte Batterie.
3.2 CDI – Capacitor Discharge Ignition (kapazitiv)
Ein Kondensator wird auf ~100–400 V geladen (AC-CDI über Ladespule, DC-CDI über 12 V + Wandler) und schlagartig in die Primärwicklung entladen (Thyristor). Sehr steiler Hochspannungs-Peak, sehr drehzahlfest und robust, dafür kurze Funkenbrenndauer.
3.3 ECU-Kennfeldzündung (digital, oft Coil-on-Plug)
Die ECU berechnet den Zündzeitpunkt situativ aus Drehzahl/Last/Temperatur/Knock-Signal u. a. Üblich sind Einzelspulen (Stabzündspulen) je Zylinder; Varianten: wasted spark (Doppelspule für 2 Zyl.) vs. sequentiell (mit Nockenwellenreferenz). Funktionen: Drehzahlbegrenzer, Quickshifter-Zündunterbrechung, Traktions-/Klopfregelung.
- Unterbrecher: einfach, wartungsintensiv, begrenzte Drehzahl.
- TCI: wartungsarm, längere Funkenbrenndauer, Batterieabhängig.
- CDI: sehr robust & drehzahlfest, kurzer Funke, ideal für Offroad/kleine Motoren.
- ECU: höchst präzise, adaptiv, Diagnosespeicher – aber komplex.
4) Zündablauf (zeitlicher Ablauf)
- Kurbelwinkel-Erfassung: Induktiv- oder Hall-Pickup detektiert Zähne/Referenzmarke (ggf. Nockenwellen-Signal für Taktkennung).
- Energieaufbau: TCI/ECU: Primärstrom (Dwell) durch Spule; CDI: Kondensatorladung.
- Schnelles Abschalten: Transistor sperrt / Thyristor zündet Kondensator.
- Hochspannung: Sekundärimpuls → Funkenstrecke Kerze → Gemisch entzündet.
- Frühzündung: Kennfeld/Fliehkraft sorgt für korrekten Zündwinkel (last-/drehzahlabhängig).
5) Diagnose: systematisch & praxisnah
5.1 Sicherheits-Check
- Zündung aus, Batterie abklemmen bei Arbeiten an offenen Leitungen.
- CDI-Anlagen: Hochspannungsfähige Funkenstrecken – nur isoliert arbeiten.
5.2 Schnelltests
- Zündfunke sichtbar? Kerze an Masse halten (isoliert), Anlasser betätigen → kräftiger blauer Funke erwartet.
- Kerze/Stecker/Kabel optisch prüfen; Elektrodenabstand (Herstellerwert), Kerzenbild beurteilen.
- Kill-Schalter / Seitenständer-/Kupplungsschalter ausschließen (Startfreigabe).
5.3 Messwerte (typische Richtwerte)*
| Prüfpunkt | Erwartung (typisch) | Hinweis |
|---|---|---|
| Spule Primärwiderstand | ~0.3–5 Ω | Stark modellabhängig (COP oft <1 Ω) |
| Spule Sekundärwiderstand | ~3–15 kΩ | Mit/ohne integrierten Widerstand beachten |
| Pickup (induktiv) Widerstand | ~100–1000 Ω | Signal als AC-Impuls beim Durchdrehen messbar |
| CDI-Ladespule (AC) Leerlauf | >~50–100 V AC (beim Starten) | Je nach System deutlich höher möglich |
| Bordnetzspannung (TCI/ECU) | >= 11.5–12.6 V | Unter Last/Starten nicht abreißen lassen |
* Immer die konkreten Hersteller-Sollwerte verwenden.
5.4 Vorgehen (Flow)
- Kein Funke? Kerze/Stecker/Kabel → ok? → Kill/Seitenständer/Relais prüfen → Bordspannung prüfen.
- Spule prüfen: Primär/Sekundär Widerstände; bei COP ggf. Ersatztest.
- Pickup/Geber prüfen: Widerstand + Signal (AC) beim Starten; Hallgeber schaltet 0/5 V.
- CDI/TCI/ECU-Versorgung: Massepunkte, +12 V (TCI/ECU), CDI-Ladespannung (AC-CDI).
- Sensor-Referenz: Kurbelwellensensor-Luftspalt/Position, Sensorrad beschädigt?
- OBD/Fehlerspeicher (ECU): Fehlercodes auslesen, Live-Daten (RPM, Sync) prüfen.
- Oszilloskop: Dwell/Primärsignal/Spannungspeak beurteilen (Profi-Diagnose).
6) Besonderheiten & Praxis
- Wasted-Spark: Doppelspule zündet 2 Zylinder gleichzeitig; ein Funke „verpufft“ im Ausstoßtakt.
- Twin-Spark: Zwei Kerzen pro Zylinder für schnellere/flachere Flammenausbreitung.
- Kerzenwahl: Wärmewert, Elektrodenmaterial, Entstörwiderstand passend zur ECU/Anlage wählen.
- EMV/Steckverbinder: Übergangswiderstände (Korrosion), Masseschleifen vermeiden.
- Zündzeitpunkt: Bei mechanischen Anlagen statisch/dynamisch abblitzen; bei ECU nur per Software/Kennfeld.
Weiterführend auf MotoTechLab: Zündkerzen, Ohmsches Gesetz, Batterie.
Mitwirkende: Digitale Assistenz MotoTechLab
