Bohrer
Die Einteilung und Benennung von Bohrern für Stahl (und andere Metalle) ist vielschichtig und dient dazu, den richtigen Bohrer für die jeweilige Anwendung, das Material und die Maschine auszuwählen. Sie basiert auf mehreren Kriterien:
1. Einteilungskriterien:
Bohrertyp / Bauform: Die grundlegende Form des Bohrers.
Spiralbohrer (Twist Drill): Der häufigste Typ mit spiralförmigen Nuten zur Spanabfuhr.
Nach DIN 338: Standardlänge, universell einsetzbar.
Nach DIN 340: Lang, für tiefere Bohrungen.
Nach DIN 1897: Kurz, stabil, für dünne Bleche oder CNC-Anwendungen.
Zentrierbohrer (Center Drill): Nach DIN 333. Kurz und stabil, zum Anbohren (Zentrieren) für eine genaue Positionierung des nachfolgenden Spiralbohrers.
NC-Anbohrer (Spotting Drill): Sehr kurz und steif, oft mit 90° oder 120° Spitzenwinkel, zum präzisen Anbohren auf CNC-Maschinen.
Stufenbohrer (Step Drill): Konische Form mit Stufen, um verschiedene Durchmesser mit einem Werkzeug zu bohren oder Löcher zu entgraten.
Aufbohrer / Reibahlen: Nicht zum Erzeugen, sondern zum Erweitern oder präzisen Fertigstellen vorhandener Bohrungen.
Kernbohrer (Core Drill): Hohl, schneidet nur einen Ring aus, lässt einen Kern stehen. Für große Durchmesser.
Schneidstoff (Material des Bohrers): Wovon der Bohrer gefertigt ist.
HSS (High-Speed Steel / Schnellarbeitsstahl): Der Standard für viele Anwendungen in Stahl, Guss und NE-Metallen.
HSS-R: Rollgewalzt, günstigste Variante, geringere Genauigkeit.
HSS-G: Geschliffen, höhere Genauigkeit und bessere Oberfläche als HSS-R.
HSS-E / HSSE / HSS-Co: Cobaltlegiert (meist 5% Co5 oder 8% Co8). Höhere Warmhärte und Verschleißfestigkeit, gut für legierte Stähle und rostfreien Stahl (Inox/VA).
VHM (Vollhartmetall / Solid Carbide): Sehr hart, verschleißfest und warmfest. Erlaubt hohe Schnittgeschwindigkeiten. Spröder als HSS.
Für harte Werkstoffe, Serienfertigung, hohe Leistung.
PM-HSS (Pulvermetallurgischer HSS): Vereint Zähigkeit von HSS mit höherer Verschleißfestigkeit, eine Stufe unter VHM.
Bohrer mit Wendeschneidplatten (Indexable Drills): Körper aus Stahl, Schneiden aus Hartmetall oder anderen Schneidstoffen zum Wechseln. Für große Durchmesser und hohe Produktivität.
Anwendungstyp / Geometrie (oft durch Buchstaben gekennzeichnet): Bestimmt durch Spitzenwinkel, Spiralwinkel etc., optimiert für bestimmte Werkstoffe.
Typ N: Normalspirale (ca. 19°-40° Spiralwinkel), Standard-Spitzenwinkel (oft 118°). Für Stahl, Guss, allgemeine Anwendungen.
Typ H: Langsame Spirale (ca. 10°-19° Spiralwinkel), oft flacherer Spitzenwinkel (z.B. 130°/135°). Für harte, kurzspanende Werkstoffe (z.B. harter Stahl, Guss, Messing).
Typ W: Schnelle Spirale (ca. 27°-45° Spiralwinkel), oft spitzerer Spitzenwinkel (z.B. <118°). Für weiche, langspanende Werkstoffe (z.B. Aluminium, Kupfer, weiche Kunststoffe).
Beschichtung (Coating): Verbessert Standzeit, reduziert Reibung, erhöht Temperaturbeständigkeit.
Unbeschichtet: Standard HSS.
TiN (Titannitrid): Goldfarben, Standardbeschichtung, gute Allround-Eigenschaften.
TiAlN (Titanaluminiumnitrid): Violett/Schwarz, höhere Warmhärte als TiN, sehr gut für Stahl, Guss, auch Trockenbearbeitung.
TiCN (Titancarbonitrid): Grau/Violett, sehr hart, gut für abrasive Materialien und unterbrochenen Schnitt.
CrN (Chromnitrid): Silbern, sehr glatt, geringe Neigung zum Aufkleben, gut für NE-Metalle.
Spezialbeschichtungen: Viele herstellerspezifische Varianten (z.B. AlCrN, DLC).Schaftform (Shank Type): Wie der Bohrer in der Maschine gehalten wird.
Zylinderschaft (Straight Shank): Häufigste Form, wird im Dreibackenfutter oder Spannzangenfutter gespannt.
Morsekegel (Morse Taper / MK): Konischer Schaft (MK1, MK2, MK3…), selbsthaltend, für größere Bohrer in Ständerbohrmaschinen oder Drehmaschinen.
Reduzierter Schaft: Schaftdurchmesser kleiner als Bohrerdurchmesser (z.B. 13mm Schaft für 20mm Bohrer), damit große Bohrer in Standardfutter passen.
Weldonfläche (DIN 6535 HB): Zylinderschaft mit einer oder zwei seitlichen Flächen für formschlüssige Klemmung (verhindert Durchrutschen).
Whistle-Notch (ähnlich Weldon): Schräge Klemmfläche.
Zylinderschaft HA (DIN 6535 HA): Glatter Zylinderschaft, oft bei VHM-Bohrern für Schrumpf- oder Hydrodehnfutter.
Sechskantschaft (Hex Shank): Für Bithalter in Akkuschraubern etc.
Spitzenanschliff (Point Geometry): Beeinflusst Zentrierung, Schnittkräfte und Spanbildung.
Kegelmantelanschliff (Standard): Nach DIN 1412 Form A. Einfachster Anschliff.
Kreuzanschliff (Split Point): Nach DIN 1412 Form C. Selbstzentrierend (kein Ankörnen nötig), bessere Spanbrechung, geringere Vorschubkraft. Sehr verbreitet bei HSS-G und HSS-E Bohrern.
Spezialanschliffe: Viele herstellerspezifische Geometrien für optimale Leistung in bestimmten Materialien.
Innenkühlung (IK / Internal Coolant): Kanäle im Bohrer führen Kühlschmiermittel direkt an die Schneide. Verbessert Kühlung, Spanabfuhr und Standzeit erheblich, vor allem bei tiefen Bohrungen und hohen Leistungen (oft bei VHM-Bohrern).