Motorrad-Zündung: Systeme, Ablauf, Diagnose

Die Zündanlage erzeugt zum exakt richtigen Zeitpunkt den Zündfunken für die Entflammung des Kraftstoff-Luft-Gemischs. Dieser Fachartikel erklärt klassische und moderne Zündsysteme (Unterbrecher, Magnetzünder, TCI, CDI, ECU-Kennfeld), beschreibt den Zündablauf und liefert praxistaugliche Diagnose-Strategien.

Niveau: Ausbildung/Fachkraft Lesezeit: 10–15 min Thema: Zündung / Elektrik

1) Grundlagen & Hauptkomponenten

Ziel der Zündanlage ist ein zuverlässiger Funke an der Zündkerze bei passender Frühzündung (Grad Kurbelwinkel vor OT). Kernteile: Zündspule (Spannungswandler), Schaltelement (Kontakt oder Transistor/Thyristor), Sensorik (Kurbel-/Nockenwellensensor), Zündkerze und die Versorgung (Batterie oder Lichtmaschine/Magnetzündung).

Grundprinzip (vereinfacht): Energieaufbau → schnelles Abschalten → Hochspannungsimpuls → Funke
Batterie / Ladespule Schaltelement Kontakt/Transistor/Thyristor Zündspule Primär → Sekundär Zündkerze Funkenstrecke Kurbelwellen-/Nockenwellensensor • ECU/TCI/CDI

2) Klassische Systeme

2.1 Unterbrecher-Zündung (Batterie-Spule)

Mechanischer Unterbrecherkontakt schaltet den Primärstrom der Zündspule. Beim abrupten Öffnen kollabiert das Magnetfeld → Hochspannungsimpuls an der Sekundärwicklung → Funke an der Kerze. Ein Kondensator parallel zum Kontakt reduziert Abreißfunken und optimiert die Energieübertragung. Frühverstellung über Fliehkraft (und teils Unterdruck).

  • Vorteile: Einfach, ohne Elektronik, reparabel.
  • Nachteile: Verschleiß/Justage am Kontakt, begrenzte Drehzahlfestigkeit, Feuchte/Schmutz-empfindlich.
  • Praxis: Oldtimer, frühe Serienbikes; heute v. a. im Bestand.

2.2 Magnetzünder (kontaktgesteuert oder kontaktlos)

Eigenständiger Zündstromerzeuger am Motor (Permanentmagnet + Spulen), oft ohne Batterie. Prinzip wie oben, jedoch liefert die Lichtmaschinen-Ladespule die Zündenergie direkt.

3) Elektronische Systeme

3.1 TCI – Transistor Controlled Ignition (induktiv)

Der Unterbrecher wird durch einen Leistungstransistor ersetzt (Steuerung via Pickup/Hall). Die Spule wird primärseitig mit Bordspannung geladen; zum Zündzeitpunkt sperrt der Transistor → Feld bricht zusammen → Funke. Längere Funkenbrenndauer als CDI, gute Magergemisch-Entflammbarkeit; benötigt intakte Batterie.

3.2 CDI – Capacitor Discharge Ignition (kapazitiv)

Ein Kondensator wird auf ~100–400 V geladen (AC-CDI über Ladespule, DC-CDI über 12 V + Wandler) und schlagartig in die Primärwicklung entladen (Thyristor). Sehr steiler Hochspannungs-Peak, sehr drehzahlfest und robust, dafür kurze Funkenbrenndauer.

3.3 ECU-Kennfeldzündung (digital, oft Coil-on-Plug)

Die ECU berechnet den Zündzeitpunkt situativ aus Drehzahl/Last/Temperatur/Knock-Signal u. a. Üblich sind Einzelspulen (Stabzündspulen) je Zylinder; Varianten: wasted spark (Doppelspule für 2 Zyl.) vs. sequentiell (mit Nockenwellenreferenz). Funktionen: Drehzahlbegrenzer, Quickshifter-Zündunterbrechung, Traktions-/Klopfregelung.

Vergleich (Kurzüberblick)
  • Unterbrecher: einfach, wartungsintensiv, begrenzte Drehzahl.
  • TCI: wartungsarm, längere Funkenbrenndauer, Batterieabhängig.
  • CDI: sehr robust & drehzahlfest, kurzer Funke, ideal für Offroad/kleine Motoren.
  • ECU: höchst präzise, adaptiv, Diagnosespeicher – aber komplex.

4) Zündablauf (zeitlicher Ablauf)

  1. Kurbelwinkel-Erfassung: Induktiv- oder Hall-Pickup detektiert Zähne/Referenzmarke (ggf. Nockenwellen-Signal für Taktkennung).
  2. Energieaufbau: TCI/ECU: Primärstrom (Dwell) durch Spule; CDI: Kondensatorladung.
  3. Schnelles Abschalten: Transistor sperrt / Thyristor zündet Kondensator.
  4. Hochspannung: Sekundärimpuls → Funkenstrecke Kerze → Gemisch entzündet.
  5. Frühzündung: Kennfeld/Fliehkraft sorgt für korrekten Zündwinkel (last-/drehzahlabhängig).
Zeit-/Winkel-Schema (Beispiel Einzylinder, 4-Takt)
-40° -20° -10° OT +40° Dwell (Primärstrom) Zündfunke (~10–20° BTDC)

5) Diagnose: systematisch & praxisnah

5.1 Sicherheits-Check

  • Zündung aus, Batterie abklemmen bei Arbeiten an offenen Leitungen.
  • CDI-Anlagen: Hochspannungsfähige Funkenstrecken – nur isoliert arbeiten.

5.2 Schnelltests

  • Zündfunke sichtbar? Kerze an Masse halten (isoliert), Anlasser betätigen → kräftiger blauer Funke erwartet.
  • Kerze/Stecker/Kabel optisch prüfen; Elektrodenabstand (Herstellerwert), Kerzenbild beurteilen.
  • Kill-Schalter / Seitenständer-/Kupplungsschalter ausschließen (Startfreigabe).

5.3 Messwerte (typische Richtwerte)*

PrüfpunktErwartung (typisch)Hinweis
Spule Primärwiderstand~0.3–5 ΩStark modellabhängig (COP oft <1 Ω)
Spule Sekundärwiderstand~3–15 kΩMit/ohne integrierten Widerstand beachten
Pickup (induktiv) Widerstand~100–1000 ΩSignal als AC-Impuls beim Durchdrehen messbar
CDI-Ladespule (AC) Leerlauf>~50–100 V AC (beim Starten)Je nach System deutlich höher möglich
Bordnetzspannung (TCI/ECU)>= 11.5–12.6 VUnter Last/Starten nicht abreißen lassen

* Immer die konkreten Hersteller-Sollwerte verwenden.

5.4 Vorgehen (Flow)

  1. Kein Funke? Kerze/Stecker/Kabel → ok? → Kill/Seitenständer/Relais prüfen → Bordspannung prüfen.
  2. Spule prüfen: Primär/Sekundär Widerstände; bei COP ggf. Ersatztest.
  3. Pickup/Geber prüfen: Widerstand + Signal (AC) beim Starten; Hallgeber schaltet 0/5 V.
  4. CDI/TCI/ECU-Versorgung: Massepunkte, +12 V (TCI/ECU), CDI-Ladespannung (AC-CDI).
  5. Sensor-Referenz: Kurbelwellensensor-Luftspalt/Position, Sensorrad beschädigt?
  6. OBD/Fehlerspeicher (ECU): Fehlercodes auslesen, Live-Daten (RPM, Sync) prüfen.
  7. Oszilloskop: Dwell/Primärsignal/Spannungspeak beurteilen (Profi-Diagnose).

6) Besonderheiten & Praxis

  • Wasted-Spark: Doppelspule zündet 2 Zylinder gleichzeitig; ein Funke „verpufft“ im Ausstoßtakt.
  • Twin-Spark: Zwei Kerzen pro Zylinder für schnellere/flachere Flammenausbreitung.
  • Kerzenwahl: Wärmewert, Elektrodenmaterial, Entstörwiderstand passend zur ECU/Anlage wählen.
  • EMV/Steckverbinder: Übergangswiderstände (Korrosion), Masseschleifen vermeiden.
  • Zündzeitpunkt: Bei mechanischen Anlagen statisch/dynamisch abblitzen; bei ECU nur per Software/Kennfeld.

Weiterführend auf MotoTechLab: Zündkerzen, Ohmsches Gesetz, Batterie.

Mitwirkende: Digitale Assistenz MotoTechLab