Hinterraddämpfer (Federbein) am Motorrad – Aufbau, Funktion, Kennlinien & Einstellung

Der Hinterraddämpfer (Federbein) verbindet die Schwinge mit dem Rahmen und vereint zwei Aufgaben: Federung (Kraftspeicher, Radführung über den Federweg) und hydraulische Dämpfung (Energieabbau, Schwingungsberuhigung). Diese Schulungsseite erklärt die Technik in Tiefe, inklusive Shimstacks, Gasdruck, Kennlinien und praxisnahem Setup.

1) Aufbau & Komponenten

Hauptteile: Schraubenfeder (Coil), Dämpferzylinder (Ölraum), Kolbenstange, Dämpferkolben mit Ventilen/Bohrungen, Gehäuse, optionaler Ausgleichsbehälter (Reservoir), Trennkolben (Gasraum, N2), Anschlagpuffer, Lagerbuchsen/ Gummiaufnahmen, Versteller (Vorspannung, Zug/Druckstufe).

Gasdruck-Funktion: Der Gasraum (Stickstoff ~20–30 bar) kompensiert Volumenänderungen durch die einfahrende Kolbenstange, verhindert Kavitation (Luftblasenbildung im Öl) und stabilisiert die Dämpfung bei schneller/har­ter Anregung.

Merke: Feder = Energiespeicher; Dämpfer = Energievernichter (Wärme). Nur im Zusammenspiel entsteht Fahrstabilität.
Schnittdarstellung Federbein: Ölraum, Kolben, Trennkolben, Gasraum, Shimstacks
Abb. 1: Schnittdarstellung eines Einrohr-Gasdruckfederbeins mit Trennkolben und Ausgleichsbehälter.

2) Wirkprinzip: Feder vs. Dämpfung

Federung ermöglicht Radhub (Komfort, Grip) und speichert Energie beim Einfedern. Dämpfung erzeugt Strömungswiderstand im Öl und baut Bewegungsenergie in Wärme ab; sie verhindert Nachschwingen.

  • Druckstufe (Compression): bremst Einfedern; wichtig gegen Durchschlagen/Heck-„Wegklappen“.
  • Zugstufe (Rebound): bremst Ausfedern; verhindert „Hoppeln“/Aufschaukeln und erhält Bodenkontakt.
Zielbild: Nach einem Stoß kehrt das Heck zügig (~1 s) zurück, ohne Nachwippen. Federweg wird weit genutzt, Anschlag wird gemieden.

3) Fachbegriffe & Größen (Sag, Federweg, Federrate)

BegriffDefinitionPraxis
Federweg Maximale Rad-/Dämpferhub-Reserve zwischen ausgefedert & eingefedert. Richtwert Heck (Straße): 100–140 mm (modellabhängig).
Negativfederweg (Sag) Einsinken im Stand (Bike+Fahrer) bezogen auf Federweg. 25–30 % als Ausgangswert (Solo); mit Sozius/Beladung anpassen.
Vorspannung Vorlänge der Feder im Einbauzustand. Ändert Arbeitspunkt/Sag und Heckhöhe, aber nicht die Federrate (N/mm).
Federrate Kraft pro Weg (N/mm) – Steifigkeit der Feder. Abhängig von Fahrergewicht/Einsatz; ggf. Federwechsel statt „Vorspannungs-Overkill“.
Low/High-Speed Bezieht sich auf Dämpferhub-Geschwindigkeit, nicht Fahrzeugtempo. Low: Wanken/Bremsnick; High: Kanten/Schlaglöcher (eigene Ventilpfade/Überströmer).

4) Hydraulik im Detail: Kolben, Ölpfade, Shimstacks, Gasdruck

Ölpfade & Ventile: Der Dämpferkolben teilt den Ölraum. Beim Einfedern muss Öl über Kolbenbohrungen, Rückschlagventile und Shimstacks (federnde Ventilscheiben aus Federstahl) strömen. Bei höherem Druck biegen die Shims auf → mehr Durchfluss → progressiver Kraftaufbau. Bypass-/Nadelventile (Einsteller) verändern Grunddurchfluss.

Gasdruck & Trennkolben: Der getrennte N2-Raum hält Systemdruck aufrecht, nimmt das verdrängte Öl (Kolbenstange) auf, mindert Kavitation/Aeration und stabilisiert die Dämpfung auch bei Temperaturanstieg.

Schema: Kolbenbohrungen, Rückschlagventile und Shimstacks
Abb. 2: Ölfluss & Shimstack-Prinzip: Grunddämpfung (kleiner Spalt), Druckspitze → Shims öffnen.
Kolben mit Bohrungen, Rebound-/Compression-Ventilplatten
Abb. 3: Kolbenventile für Zug-/Druckrichtung; getrennte Pfade begünstigen zielgenaue Kennlinien.

Kennlinien & Thermik

  • V-Abhängigkeit: Dämpferkräfte steigen mit Öldurchsatz (∝ Hubgeschwindigkeit). Shims erzeugen progressive Kennlinien.
  • Temperatur: Erwärmung senkt Ölviskosität → geringere Dämpfung. Mehr Ölvolumen/Reservoir & Kühlrippen stabilisieren.
  • Fade-Prävention: Gasdruck/Trennkolben verhindern Schaumbildung (Luftblasen) → konstante Dämpfung auch bei Dauerhub.

5) Bauarten: Mono/Stereo, Emulsion vs. Gasdruck, Piggyback/Remote

  • Monoshock (Zentralfederbein): Ein Dämpfer zentral; häufig über Umlenkhebel (progressiv) angelenkt; heute Standard.
  • Stereo-Federbeine: Zwei seitliche Dämpfer; retro/klassisch, einfacher Aufbau, weniger Feintuning/Progression.
  • Emulsionsdämpfer: Öl und Gas im selben Raum (ohne Trennkolben); einfacher, aber kavitationsempfindlicher unter Dauerlast.
  • Gasdruck-Einrohr mit Trennkolben: Stabilere Dämpfung; verdrängtes Öl in Gasraum (N2).
  • Piggyback-Reservoir: Angesetzter Ausgleichsbehälter am Gehäuse (mehr Öl, größere Kühlfläche, Platz für Ventile).
  • Remote-Reservoir: Externer Behälter per Hochdruckleitung (flexible Montage bei Platzproblemen).
Vergleich: Piggyback-Reservoir vs. Standardfederbein
Abb. 4: Piggyback/Remote erhöhen Ölvolumen & Temperaturstabilität – wichtig bei harter Dauerbelastung.

6) Setup & Einstellen: Reihenfolge, Tests, Richtwerte

Reihenfolge (immer so vorgehen)

  1. Mechanik prüfen: Spiel/Verklemmen in Umlenkhebeln & Lagern beseitigen.
  2. Vorspannung → Sag: Solo ca. 25–30 % des Federwegs (mit Fahrer).
  3. Zugstufe: Heck kräftig eindrücken & loslassen → ein sauberer Rückschwung (~1 s), kein Nachwippen.
  4. Druckstufe: „Schnell-Runterdrück-Test“ + Kabelbinder an Kolbenstange: 2–5 mm vor Anschlag.
  5. Feinabstimmung: Auf Teststrecke kleine Klick-Schritte, jede Änderung notieren.
Tipp: Änderungen immer einzeln vornehmen (z. B. +2 Klicks Zug), testen, bewerten, dokumentieren.

Richtwerte & Hinweise

  • Sag Solo: 25–30 % Federweg; mit Gepäck/Sozius Vorspannung erhöhen.
  • Zugstufe zu offen: Heck „hoppelt“/schaukelt → schrittweise schließen.
  • Zugstufe zu zu: Heck „packt“ auf Wellen, kommt nicht hoch → etwas öffnen.
  • Druckstufe zu weich: zu tiefe Kompression, ggf. Anschlag → fester.
  • Druckstufe zu hart: bockig, Gripverlust über Rauigkeit → weicher.

Mess- & Prüfablauf (Kurzform, Heck)

  1. Bike ausheben (ausgefedert) und Referenzpunkt markieren (Heck → Achse/Heckrahmen). Maß L0.
  2. Bike abstellen (nur Eigengewicht), Maß L1. → Statischer Sag=L0−L1.
  3. Fahrer in Ausrüstung aufsitzen, Maß L2. → Dynamischer Sag=L0−L2 (Soll 25–30 %).
  4. Vorspannung anpassen, bis L0−L2 im Zielbereich liegt. Dann Dämpfung einstellen (Zug → Druck).

7) Diagnose & Troubleshooting

SymptomWahrscheinliche UrsacheMaßnahme
Mehrfaches Nachwippen nach Bodenwellen Zugstufe zu offen; evtl. Öl gealtert Zugstufe schrittweise schließen; Service/Ölwechsel prüfen
„Bockiges“ Fahrgefühl, Gripverlust auf Rauigkeit Druckstufe zu hart; Reifenluftdruck zu hoch Druckstufe öffnen; Luftdruck prüfen; ggf. weichere Feder
Durchschlagen (Anschlagspuren/Kabelbinder am Anschlag) Druckstufe zu weich; Vorspannung/Federrate zu gering Druckstufe schließen; Vorspannung/Feder anpassen
Heck „packt“ auf Wellen, bleibt tief Zugstufe zu stark (zu geschlossen) Zugstufe öffnen (kleine Schritte)
Unruhe in schnellen Kurven, weitet Radius Heck hängt (Sag zu groß); Zug zu offen Vorspannung erhöhen; Zug etwas schließen
Ölnebel am Dämpfer, nachlassende Wirkung Dichtung verschlissen; Ölverlust Dämpferservice (Dichtsatz/Öl/N₂) in Fachwerkstatt

8) Werkstatt, Service & Sicherheit

Achtung: Gasdruckdämpfer stehen unter Hochdruck (N2) – niemals ungeschult öffnen. Arbeiten am Dämpferinneren nur in der Fachwerkstatt.
  • Sichtprüfung: Ölspuren, verkratzte Kolbenstange, Federbruch, Spiel/Knacken in Umlenkhebeln/Lagern.
  • Service-Intervalle (Richtwerte): 20–30 Tkm oder alle 2–3 Jahre (Einsatzabhängig). Inhalt: Öl, Dichtsatz, Führungen, N2.
  • Ein-/Ausbau: Heck entlasten (Ständer), Schwinge sichern; Drehmomente nach Hersteller; Federtausch mit geeigneten Federspannern.
  • Dokumentation: Alle Einstellwerte (Vorspann-Umdrehungen/Klicks) notieren; Basis-Setup sichern.
Einsteller am Federbein: Rebound unten, Compression am Reservoir
Abb. 5: Versteller – Rebound (Zug) oft unten (rot), Compression (Druck) am Reservoir (blau); High-/Low-Speed ggf. getrennt.

Fazit

Ein gut gewartetes und richtig eingestelltes Federbein liefert Komfort, Grip und Stabilität. Grundlage ist der korrekte Sag; darauf folgt die feinfühlige Abstimmung von Zug- und Druckstufe. Für besondere Anforderungen (Rennstrecke, Sozius/Gepäck) sind Federrate und Dämpfer-Kennlinien entsprechend anzupassen.

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Hinterraddämpfer (Federbein) – Vollständige Fachbuchfassung (MotoTechLab Research)

Das Hinterrad-Federbein vereint Federung (Energiespeicher, Radführung) und hydraulische Dämpfung (Energieabbau, Schwingungsberuhigung). Dieses Kapitel liefert den vollständigen technischen Hintergrund: Aufbau, Ölströmung, Ventiltechnik (Shimstacks), Gasdruck, Kennlinien, Thermik, Federtechnik, Mess- und Prüfabläufe, Diagnose, Fehlerbilder und Service.

1) Systemübersicht & Grundprinzip

Ein Motorrad-Federbein ist ein Coilover-Gasdruckdämpfer. Die Schraubenfeder ermöglicht Radhub und trägt Lasten. Der hydraulische Stoßdämpfer kontrolliert die Geschwindigkeit der Federbewegung. Herzstück des Dämpfers ist ein mit Öl gefüllter Zylinder, in dem ein Dämpferkolben an der Kolbenstange bewegt wird. Öl muss durch definierte Kanäle und Ventile strömen – die dabei entstehenden Strömungswiderstände erzeugen die Dämpfungskraft. Ein Gasraum (Stickstoff), durch Trennkolben oder Membran separiert, hält Systemdruck aufrecht, kompensiert Volumenänderungen der einfahrenden Kolbenstange und verhindert Kavitation (Luftblasenbildung), die die Dämpfung sonst instabil macht.

Merke: Feder = Energiespeicher; Dämpfung = Energievernichter (Wärme). Nur das Zusammenspiel liefert Grip, Komfort und Stabilität.
Übersicht Federbein im Heck: Schwinge, Umlenkung, Federbein, Rahmenpunkte
Abb. 1: Einbindung des Federbeins zwischen Schwinge und Rahmen (je nach Modell direkt oder über Umlenkhebel).

2) Mechanischer Aufbau & Einbindung ins Heck

Hauptkomponenten

  • Schraubenfeder (linear/progressiv) – trägt Last, stellt Hub zur Verfügung.
  • Dämpferzylinder (Ölraum) – Arbeitsraum für Kolbenbewegung, Wärmequelle durch Dissipation.
  • Kolbenstange & Dämpferkolben – Kolben mit Bohrungen und Ventilscheiben (Shimstacks).
  • Ausgleichsbehälter (Piggyback/Remote) – zusätzlicher Öl-/Gasraum, Temperaturstabilität, Ventilträger.
  • Trennkolben/Membran & Gasraum (N2) – verhindert Schaumbildung, kompensiert Volumen, hält Systemdruck.
  • VerstellerVorspannung, Zugstufe (Rebound), Druckstufe (Compression), teils Low/High-Speed getrennt.
  • Peripherie – Anschlagpuffer, Befestigungsaugen/Lagerbuchsen, ggf. Höhenverstellung (Ride Height).

Anlenkung: Direkt (einfach, linear) oder über Umlenkhebel (progressiv). Umlenkungen liefern anfangs weiche, später härtere Charakteristik – Komfort bei kleinen Wellen, Schutz vor Durchschlagen bei großen Stößen.

Schnittdarstellung: Ölraum, Kolben, Trennkolben, Gasraum, Shimstacks
Abb. 2: Einrohr-Gasdruckdämpfer: verdrängtes Öl weicht in den Gasraum (über Ventile) aus; Systemdruck verhindert Kavitation.
Praxis: Jedes Setup wird durch Spiel in Umlenkhebeln/Lagern verfälscht. Mechanik zuerst spielfrei machen!

3) Hydraulik: Ölwege, Ventile, Shimstacks, Gasdruck

Beim Einfedern fährt die Kolbenstange in den Zylinder. Öl wird aus dem Arbeitsraum über Kompressionspfade (Kolbenbohrungen, Rückschlagventile, ggf. Basiskolben/Reservoir-Deckel) in andere Bereiche verdrängt. Beim Ausfedern fließt Öl über Reboundpfade zurück. Die Dämpfungskraft ist die Summe aus Druckverlusten über Spalte, Bohrungen und Ventile.

Ölfluss-Schema: getrennte Pfade für Druck- und Zugstufe
Abb. 3: Getrennte Ölpfade für Druck- (Einfedern) und Zugstufe (Ausfedern) – je eigene Ventilsysteme.

Shimstacks (Ventilscheibenpakete)

Shimstacks sind federnde Pakete aus dünnen Federstahl-Scheiben, die Kolbenbohrungen abdecken. Steigt der Öldruck, biegen sich die Shims elastisch auf und vergrößern den Durchflussquerschnitt. Dadurch entsteht eine progressive Kennlinie: kleine Hubgeschwindigkeiten → kleine Durchflüsse (Grunddämpfung), große Hubspitzen → Shims öffnen stärker (hohe Dämpfung).

  • Abstimmung über Anzahl, Durchmesser, Dicke, Abstufung der Shims (Pyramidierung), Stützscheiben, Entlastungsbohrungen.
  • Bypass-/Nadelventile (Einsteller) verändern die Basisdurchflüsse parallel zu den Shims → Feinjustage der Low-Speed-Dämpfung.
  • Überdruckventile (High-Speed) öffnen erst bei Spitzen – schützen vor zu hohen Dämpferkräften und verbessern Komfort auf Kanten.

Gasdruck, Trennkolben & Thermik

  • Gasdruck (N2) pre-spannt das Öl, verhindert Schaumbildung (Kavitation), hält Dämpfung konsistent.
  • Trennkolben/Membran trennt Öl von Gas → keine Luftdurchmischung (Emulsion) → stabile Kennlinie unter Dauerlast.
  • Thermik: Erwärmung senkt Viskosität → Dämpfung wird weicher. Größeres Ölvolumen/Reservoir & Kühlrippen stabilisieren.

4) Federtechnik: Federrate, Vorspannung, Sag, Federweg

Federrate & Federweg

Die Federrate (N/mm) beschreibt die Steifigkeit. Lineare Federn haben konstante Rate; progressive Federn oder progressive Umlenkungen steigern die wirkende Rate mit zunehmendem Hub, wodurch kleine Unebenheiten gefiltert und große Stöße sicher abgefangen werden. Der Federweg ist der nutzbare Hub zwischen ausgefedertem und eingefedertem Zustand.

Vorspannung & Sag

Vorspannung verändert die Arbeitshöhe (Negativfederweg) und die Heckgeometrie, aber nicht die Federsteifigkeit. Zielwerte am Heck (Straße): 25–30 % dynamischer Sag (Bike + Fahrer). Mit Sozius/Gepäck Vorspannung erhöhen.

Sag-Messung L0/L1/L2, Maßpunkte am Heck
Abb. 4: Sag-Messung: L0 (ausgefedert), L1 (Bike), L2 (mit Fahrer); Sag = L0 − L2.
GrößeDefinitionPraxis
FederwegHub zwischen ausgefedert & vollständig eingefedertModellabhängig ~100–140 mm (Heck Straße)
Statischer SagEinsinken nur durch BikegewichtKontrollgröße; zeigt Basisbalance der Feder
Dynamischer SagEinsinken mit FahrerRichtwert 25–30 % → Startpunkt fürs Setup
VorspannungVorlänge der Feder im EinbauArbeitspunkt/Heckhöhe; kein Ersatz für falsche Federrate
Wichtig: Zu viel Vorspannung kaschiert keine zu weiche Feder. Besser passende Federrate wählen.

5) Dämpferkennlinien: Low/High-Speed, Progression, Temperatur

Low-Speed-Dämpfung (geringe Dämpferhub-Geschwindigkeit) kontrolliert Wanken, Bremsnick und Lastwechsel. High-Speed-Dämpfung (hohe Hubspitzen) filtert harte Kanten/Schläge. Premium-Dämpfer haben getrennte Versteller (konzentrische Knöpfe: groß = High-Speed, klein = Low-Speed).

Progression entsteht durch Shimstacks, Überdruckventile und/oder Umlenkhebel. Ziel: Sanft bei Kleinschlägen, standfest bei Großschlägen (kein Durchschlagen, kein „Bockeln“).

Beispielkennlinien: Rebound/Compression vs. Hubgeschwindigkeit
Abb. 5: Beispielhafte Kennlinien – Dämpferkraft in Abhängigkeit der Dämpferhub-Geschwindigkeit.

Thermikeinfluss & Stabilität

  • Erwärmung → dünnflüssigeres Öl → weichere Dämpfung. Reservoir/Ölvolumen mindern Drift.
  • Gasdruck verhindert Aeration/Kavitation → konsistente Dämpfung auch bei Dauerhub.
  • Große Ventilquerschnitte + saubere Bypass-Abstimmung → breiter nutzbarer Bereich ohne „Kanten“ in der Kennlinie.

6) Bauarten: Mono/Stereo, Emulsion vs. Gasdruck, Piggyback/Remote

  • Monoshock (Zentralfederbein): ein Dämpfer, meist progressiv über Umlenkhebel; präzise Abstimmung, Standard bei Sport/Offroad.
  • Stereo-Federbeine: zwei seitliche Dämpfer; klassisch/retro, einfacher Aufbau, meist weniger Feintuning/Progression.
  • Emulsionsdämpfer: Öl+Gas ohne Trennkolben; kostengünstig, aber anfälliger für Schaumbildung unter Dauerbelastung.
  • Einrohr-Gasdruck (Trennkolben/Membran): konstante Dämpfung, verdrängtes Öl → Gasraum, hohe Standfestigkeit.
  • Piggyback-Reservoir: Behälter direkt am Gehäuse; mehr Öl/Kühlfläche, Platz für Ventile → stabilere Kennlinie.
  • Remote-Reservoir: externer Behälter per Hochdruckleitung; Montage flexibel bei Platzmangel.
Piggyback vs. Remote-Reservoir am Federbein
Abb. 6: Piggyback (kompakt) und Remote (flexibel) – gleiche Funktion, andere Bauform.

7) Einstellpraxis: Reihenfolge, Tests, Richtwerte

Vorgehensweise (immer gleich)

  1. Mechanik prüfen: Lager/Umlenkung spielfrei, Kolbenstange sauber; Reifen/Luftdruck i. O.
  2. Vorspannung → Sag: Ziel 25–30 % (Bike+Fahrer). Heckhöhe notieren.
  3. Zugstufe (Rebound): Heck kräftig eindrücken & loslassen → ein sauberer Rückschwung (~1 s), kein Nachwippen.
  4. Druckstufe (Compression): Schnell-Runterdrück-Test; Kabelbinder an Kolbenstange nach Probefahrt 2–5 mm vor Anschlag.
  5. Feinabstimmung: Teststrecke, kleine Klick-Schritte; jede Änderung protokollieren.

Typische Korrekturen

  • Hoppeln/Schaukeln: Zugstufe schrittweise schließen.
  • Bockig/Grip weg auf Rauigkeit: Druckstufe öffnen.
  • Durchschlagen: Druckstufe fester; ggf. Vorspannung/Federrate erhöhen.
  • „Packen“ auf Wellen: Zugstufe etwas öffnen (Heck kommt sonst nicht hoch).
  • Heck hängt/weiter Kurvenradius: Vorspannung erhöhen (Sag reduzieren); ggf. Zug leicht zu.
Versteller am Federbein: Rebound unten (rot), Compression am Reservoir (blau)
Abb. 7: Versteller – Rebound oft unten, Compression am Reservoir; High/Low-Speed ggf. getrennt.

8) Mess- & Prüfabläufe: Sag, Kabelbinder, Rebound-Test

Sag-Prozedur (Heck)

  1. Bike ausheben (ausgefedert), Referenzpunkte definieren (z. B. Achse ↔ Heckrahmen). Maß L0.
  2. Bike abstellen (nur Eigengewicht), Maß L1statischer Sag=L0−L1.
  3. Fahrer in Ausrüstung aufsitzen, Maß L2dynamischer Sag=L0−L2 (Ziel 25–30 %).
  4. Vorspannung anpassen, bis Ziel erreicht; dann Dämpfung (Zug→Druck) einstellen.
Hinweis: Ungewöhnlich hoher statischer Sag bei korrektem dynamischem Sag → Feder zu weich; umgekehrt → Feder zu hart.

Kabelbinder & Rebound-Test

  • Kabelbinder: vor Probefahrt an Kolbenstange; Ziel: 2–5 mm vor Gummianschlag nach flotter Runde.
  • Rebound-Test: Heck kräftig eindrücken, loslassen → Rückkehr in ~1 s ohne Überschwingen. Zu schnell = Zug zu offen; zu langsam = zu zu.
  • Feinschliff: kleine Klick-Schritte, A/B-Vergleich auf derselben Strecke.

9) Diagnose & Fehlerbilder (Troubleshooting)

SymptomWahrscheinliche UrsacheMaßnahme
Mehrfaches NachwippenZugstufe zu offen; Öl gealtertZugstufe schließen; Service/Ölwechsel prüfen
„Bockig“, Gripverlust auf RauigkeitDruckstufe zu hart; ggf. zu hoher LuftdruckDruckstufe öffnen; Reifendruck prüfen
Durchschlagen (Anschlagspuren)Druck zu weich; Vorspannung/Federrate zu geringDruckstufe fester; Vorspannung/Feder anpassen
„Packen“ auf Wellen, Heck bleibt tiefZugstufe zu stark (zu zu)Zugstufe etwas öffnen
Unruhe/weiter KurvenradiusHeck hängt (Sag groß); Zug zu offenVorspannung erhöhen; Zug etwas schließen
Ölnebel/Leck, nachlassende WirkungDichtungen verschlissenDämpferservice (Dichtsatz/Öl/N2)
Knacken/Spiel im HeckUmlenkhebel/Lager/Buchsen ausgeschlagenSpiel beseitigen, Lager fetten/ersetzen
Achtung: Gasdruckdämpfer stehen unter Hochdruck (N2). Arbeiten am Dämpferinneren nur vom Fachbetrieb durchführen lassen.

10) Werkstatt & Service (Sicherheit, Intervalle)

  • Sichtprüfung: Ölspuren, verkratzte Kolbenstange, Federbruch, Pufferzustand, Lager/Umlenkhebel (Spiel/Knacken).
  • Serviceintervalle (Richtwerte): 20–30 t km oder alle 2–3 Jahre (Einsatzabhängig): Ölwechsel, Dichtsatz, Führungen, N2-Füllung.
  • Ein-/Ausbau: Heck entlasten, Schwinge sichern; Drehmomente nach Hersteller; Federtausch nur mit geeigneten Federspannern.
  • Dokumentation: Vorspann-Umdrehungen/Klicks notieren; Basis-Setup sichern; Änderungen protokollieren.

11) Anhang: Formeln, Protokolle, Checklisten

Richtwerte & Kurzformeln

  • Dynamischer Sag: Sag = L0 − L2 → Ziel 25–30 % des Federwegs.
  • Statischer Sag: L0 − L1 (Kontrollgröße für Federbasis).
  • Kabelbinder-Check: 2–5 mm vor Anschlag nach Probefahrt.
  • Low/High-Speed: bezieht sich auf Dämpferhub-Geschwindigkeit, nicht km/h.

Messprotokoll (Heck)

  1. Referenzpunkte festlegen, L0 (ausgefedert) messen/merken.
  2. L1 (Bike) & L2 (Bike+Fahrer) messen → Sag berechnen.
  3. Vorspannung justieren, bis Ziel erreicht. Danach Dämpfung Zug→Druck.
  4. Probefahrt, Kabelbinder prüfen, Feineinstellung in kleinen Klick-Schritten, alles protokollieren.
Platzhalter für Diagramme, Kennlinien, Messblätter
Abb. 8: Platzhalter für Kennliniendiagramme und Messblätter (füge hier deine Grafiken ein).
© MotoTechLab – Schulungsunterlage · Erstellt von: Digitale Assistenz MotoTechLab