Drehmomente, Festigkeitsklassen und Schraubenarten: Ein Überblick für die Praxis
Im Maschinenbau, der Montage und vielen anderen technischen Disziplinen spielen die korrekte Auswahl und Anzug von Schrauben eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Verbindungen. Drei zentrale Konzepte, die hierbei Hand in Hand gehen, sind das Drehmoment, die Festigkeitsklassen von Schrauben und die verschiedenen Schraubenarten.
1. Drehmoment: Die Kraft der Rotation
Das Drehmoment ist eine physikalische Größe, die die Drehwirkung einer Kraft auf einen Körper beschreibt. Es ist das Produkt aus der Kraft (F) und dem senkrechten Abstand (r) der Kraft zum Drehpunkt (Hebelarm):
M=F⋅r
Die Einheit des Drehmoments ist in der Regel Newtonmeter (Nm). Beim Anziehen einer Schraube erzeugt das aufgebrachte Drehmoment eine Vorspannkraft in der Schraube. Diese Vorspannkraft ist entscheidend, um eine dauerhafte und sichere Verbindung zu gewährleisten. Ein zu geringes Drehmoment kann zu einer lockeren Verbindung führen, während ein zu hohes Drehmoment die Schraube oder das Gewinde beschädigen kann.
Die Angabe des Anzugsdrehmoments für eine bestimmte Schraubenverbindung ist in der Regel vom Hersteller oder Konstrukteur vorgegeben und berücksichtigt Faktoren wie:
- Schraubendurchmesser und Gewinde: Größere Durchmesser und feinere Gewinde erfordern in der Regel höhere Drehmomente.
- Materialien der Verbindung: Die Reibung zwischen den Verbindungspartnern spielt eine Rolle.
- Festigkeitsklasse der Schraube: Höhere Festigkeitsklassen erlauben höhere Vorspannkräfte und somit höhere Anzugsdrehmomente.
- Anwendungsbereich: Dynamische Belastungen, Vibrationen oder Temperaturschwankungen können spezielle Drehmomentvorgaben erfordern.
2. Festigkeitsklassen von Schrauben: Das A und O der Belastbarkeit
Die Festigkeitsklasse einer Schraube gibt Aufschluss über ihre mechanischen Eigenschaften, insbesondere ihre Zugfestigkeit und Streckgrenze. Diese Klassen sind durch Zahlenpaare gekennzeichnet, die üblicherweise auf dem Schraubenkopf eingeprägt sind (z.B. 8.8, 10.9, 12.9).
Die Bedeutung der Zahlenpaare ist wie folgt:
- Erste Zahl (vor dem Punkt): Multipliziert mit 100 ergibt sie die Nennzugfestigkeit Rm in N/mm². Dies ist die maximale Zugspannung, die das Material aushalten kann, bevor es reißt.
- Beispiel: Eine Schraube der Festigkeitsklasse 8.8 hat eine Nennzugfestigkeit von 8⋅100=800N/mm2.
- Zweite Zahl (nach dem Punkt): Multipliziert mit der ersten Zahl und dem Faktor 10 ergibt sie die Nennstreckgrenze ReH (oder 0,2%-Dehngrenze Rp0.2) in N/mm². Die Streckgrenze ist die Spannung, bei der das Material beginnt, sich plastisch zu verformen. Oberhalb dieser Grenze kehrt das Material nicht mehr vollständig in seine ursprüngliche Form zurück.
- Beispiel: Eine Schraube der Festigkeitsklasse 8.8 hat eine Nennstreckgrenze von 8⋅8⋅10=640N/mm2.
Gängige Festigkeitsklassen und ihre typischen Anwendungen:
- 4.6, 5.6, 5.8: Niedrigere Festigkeitsklassen, oft für weniger kritische Anwendungen oder bei weicheren Werkstoffen.
- 8.8: Die am häufigsten verwendete Festigkeitsklasse. Bietet eine gute Balance zwischen Festigkeit und Duktilität (Verformbarkeit). Geeignet für allgemeine Maschinenbauanwendungen.
- 10.9: Höhere Festigkeitsklasse, verwendet für hochbelastete Verbindungen, wo eine höhere Vorspannkraft erforderlich ist.
- 12.9: Sehr hohe Festigkeit, typisch für kritische Anwendungen, bei denen maximale Belastbarkeit und geringe Abmessungen wichtig sind (z.B. Motoren, Fahrwerke).
Die Wahl der richtigen Festigkeitsklasse ist entscheidend, um die Belastungen, denen die Schraubenverbindung ausgesetzt ist, sicher aufzunehmen.
3. Schraubenarten: Vielfalt für jeden Zweck
Es gibt eine immense Vielfalt an Schraubenarten, die sich in Kopfform, Gewindeart, Schaft und Material unterscheiden. Die Auswahl der richtigen Schraubenart hängt von der spezifischen Anwendung ab:
- Nach Kopfform:
- Sechskantschrauben: Die häufigste Form, gut mit Maul-, Ring- oder Steckschlüsseln zu handhaben.
- Zylinderschrauben mit Innensechskant (Inbusschrauben): Platzsparend, ermöglichen hohe Anzugsmomente, ideal für versenkte Anwendungen.
- Senkschrauben: Werden bündig mit der Oberfläche versenkt, ideal für ästhetische oder aerodynamische Anwendungen.
- Linsenkopfschrauben: Haben einen leicht gewölbten Kopf, bieten eine größere Auflagefläche.
- Flügel-, Rändel-, und Sterngriffschrauben: Für handbetätigte Verbindungen, die oft gelöst oder angezogen werden müssen.
- Nach Gewindeart:
- Metrisches ISO-Gewinde (Regel- und Feingewinde): Die weltweit am weitesten verbreiteten Gewindearten. Feingewinde haben eine kleinere Steigung und sind vibrationsbeständiger.
- Holzschrauben: Grobes Gewinde, selbstschneidend in Holz.
- Blechschrauben: Selbstschneidend in Blech oder weichen Kunststoffen.
- Gewindefurchende Schrauben: Erzeugen ihr Gegengewinde im Werkstück.
- Trapezgewinde, Rundgewinde: Für Bewegungsgewinde, z.B. in Spindeln.
- Nach Schaft:
- Vollgewindeschrauben: Das Gewinde erstreckt sich über die gesamte Schaftlänge.
- Teilgewindeschrauben: Ein Teil des Schafts ist gewindefrei. Der gewindefreie Teil sollte in der Regel die Scherkräfte aufnehmen.
- Nach Material:
- Stahl (unlegiert und legiert): Die häufigste Wahl, erhältlich in verschiedenen Festigkeitsklassen.
- Rostfreier Stahl (Edelstahl, A1, A2, A4): Korrosionsbeständig, wichtig in feuchten oder aggressiven Umgebungen. A4 ist salzwasserbeständig.
- Messing, Aluminium, Kunststoffe: Für spezielle Anwendungen, bei denen geringes Gewicht, elektrische Isolation oder andere Materialeigenschaften im Vordergrund stehen.
Fazit:
Das Zusammenspiel von Drehmoment, Festigkeitsklasse und der richtigen Schraubenart ist von grundlegender Bedeutung für die Konstruktion und Montage sicherer und langlebiger Verbindungen. Eine sorgfältige Auswahl und der präzise Anzug nach den Herstellervorgaben sind unerlässlich, um Schäden, Ausfälle und im schlimmsten Fall Unfälle zu vermeiden. Ein fundiertes Verständnis dieser Konzepte ist daher für jeden Techniker und Handwerker von großer Bedeutung.


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